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Geschichte des iför®-Institutes und der strukturell- integrativen Methode

Das iför®-Institut (Institut zur Förderung strukturellen Rechnens) hat seinen Haupt- und Stammsitz in Weilheim i.OB. mit weiteren Standorten im deutschsprachigen Europa. Aufgrund seiner Erfahrungen in der pädagogisch-therapeutischen Behandlung von Kindern mit Rechenproblemen hat Herr Dr. Heil die strukturell-integrative Methode entwickelt. Daraus ist das iför®-Institut entstanden. Die europaweiten Standorte des iför®-Institutes arbeiten alle nach der strukturell-integrativen Methode, wie sie von Dr. Günther Heil vor nunmehr 25 Jahren geschaffen worden ist.

Über die Entstehung und die Hintergründe der strukturell-integrativen Methode wurde ein Interview mit Herrn Dr. Günther Heil geführt.

Interviewerin:

Herr Dr. Heil, Sie haben die strukturell-integrative Methode in Ihrer Arbeit mit Kindern entwickelt. Eigentlich sind Sie Lehrer, richtig?

 

Dr. Heil:

Ja, und das im Herzen noch immer. Zuerst erhielt ich anfangs der 70-er Jahre in München die Ausbildung als Grund- und Hauptschullehrer. Das war zu Zeiten als die „Dyskalkulie“ in pädagogischen, schulpädagogischen, psychologischen und medizinischen Fachlexika noch völlig unbekannt war. Es gab sie einfach nicht. Danach studierte ich Sonderpädagogik mit dem Schwerpunkt der Förderung bei lernbehinderten Schülern.

 

Interviewerin:

Wann haben Sie das erste Mal Ideen entwickelt, um ein Kind mit erheblichen Rechenproblemen mittels eines Förderkonzepts zu helfen? Wenn die Grundschullehrkraft an ihre Grenzen gestoßen war?

 

Dr. Heil:

Wir Sonderpädagogen wurden immer wieder zur Diagnostik in Grundschulen gerufen, um den sonderpädagogischen Förderbedarf eines Kind zu überprüfen. Ich testete damals ein Kind mit einer sehr starken Rechenstörung. Nach der Diagnostik entwickelte ich aufgrund der Testergebnisse für das Kind einen Förderplan, den der Grundschullehrer in Zusammenarbeit mit mir umsetzte. Und dieses Kind hat Rechnen erlernt, was sein weiterer Schulweg eindrucksvoll belegte.

 

Interviewerin:

Was war der Anstoß, Ihre Therapiemethode zu entwickeln?

 

Dr. Heil:

Eine befreundete Schulpsychologin wusste von meiner Leidenschaft für Rechenstörungen und Fördermaßnahmen zu deren Behebung. Anfang der 90er-Jahre bat sie mich, ein betroffenes Kind zu testen und wenn möglich zu fördern. Aufgrund des Erfolges kamen im Laufe der Zeit zu mir immer mehr Kinder mit sogenannter „Dyskalkulie“, einem Stigmabegriff, der zunehmend in Mode kam, um ihnen zu helfen.

 

Interviewerin:

Der Mittelpunkt der strukturell-integrativen Methode sind die Zahlen-Struktur-Körper®. Wie sind diese entstanden?

 

Dr. Heil:

Meine Suche nach einem geeigneten Lernmaterial für die Kinder mit Rechenstörungen erbrachte für mich kein zufriedenstellendes Ergebnis. Deshalb habe ich die Kinder gefragt, was sie sich wünschten, damit sie Rechnen besser verstünden. Die Antwort war, dass sie die Zahlen anfassen wollten.

 

Das verwirrte mich, denn ich dachte mir: Die Kinder haben doch in der Schule genügend Mengenmaterial (Plättchen, Steine, Kugeln, Cuisenaire Stäbe usw.) zum Erlernen des Zahlverständnisses und des Rechnens. Und damit haben sie doch etwas zum Anfassen. Das war scheinbar nicht das, was die Kinder gemeint hatten und dringend zum Verständnis benötigten.

 

Der Lösung kam ich erst näher, als mir bewusst wurde, dass z. B. 7 Plättchen nur 7 Stücke sind, die als Zahl 7 bezeichnet werden. Sie sind nicht „die Zahl“ 7. Mit Plättchen, Kugeln usw. als Lernmaterial arbeitet die Schule und das war nicht das, was die Kinder zum Verstehen des Rechnens benötigten. Sie wollten die mit Ziffern geschriebene und so im Kopf gedachte Zahl konkret anfassen.

 

Denn wenn wir rechnen, stellt sich kein gebildeter Mensch im Kopf Plättchen, Kugeln usw. vor. Zum Rechnen denken wir uns im Kopf die mit Ziffern „geschriebene“ Zahl. Probieren Sie es mal aus, indem Sie sich beispielsweise die Zahl 76 im Kopf vorstellen. Was „sehen“ Sie im Geiste?

 

Interviewerin:

War das die Initiative, die zur Betonung des Strukturellen in Ihrer Methode geführt hat?

 

Dr. Heil:

Mit den Ziffern von 0 bis 9 schreiben wir alle Zahlen. Wir schreiben sie innerhalb einer Zahl auf verschiedene Stellenpositionen. Stellenpositionen sind Einer, Zehner, Hunderter, Tausender usw. Damit sie die Schüler besser unterscheiden können, hat bei den Zahlen-Struktur-Körpern® jede Stellenposition eine andere Körperform erhalten.  Der Würfel  symbolisiert den „Einer“, der Zylinder den „Zehner“ und der Quader versinnbildlicht den „Hunderter“.  Und da jede Körperform für eine bestimmte Stellenposition steht, spielt eine an Mengen ausgerichtete Größe überhaupt keine Rolle. Man schreibt die Ziffern einer Zahl ja auch nicht unterschiedlich groß.

 

Interviewerin:

Und was ist mit der Stellenposition des Tausenders, der ist bei den Zahlen-Struktur-Körpern®  ja wieder ein Würfel?

 

Dr. Heil:

Unser dezimales Stellenwertsystem kennt nur die Dreiheit: Einer, Zehner, Hunderter. Auch auf der Ebene der Tausender gibt es diese Dreiheit. Leider sind wir in unserem Sprechen ungenau geworden und reden nur noch vom Tausender. Derweil ist diese Stellenposition der „Ein“-Tausender. Deshalb ist er wieder ein Würfel. Dessen anders gestaltetes Aussehen hat mit der Geschichte des „Landes der Zahlenzwerge®“ zu tun.

 

Bei der mit Zahlen-Struktur-Körpern®   gebildeten Zahl kann das lernende Kind den Körper jeder Stellenposition anfassen, zum besseren Verständnis entsprechend der mathematischen Anforderung verändern und beim Verrechnen mit einer anderen Zahl die betroffenen Zahlen-Struktur-Körper® der benötigten Stellenpositionen so bewegen, wie rechnerisch zu denken ist. Entdeckend kann es Rechenwege konkret handelnd ausprobieren.

 

Interviewerin:

Warum sind die Körper farbig?

 

Dr. Heil:

In der Sonderpädagogik sind Farben ein wichtiges Hilfsmittel zum besseren Verstehen, zum Behalten und Lernen. So erhielt jede Ziffer eine eigene Farbe. Und jeder Körper, auf dem eine bestimmte Ziffer steht, erhielt die spezifische Farbe der Ziffer. Unterschiedliche Körperformen und Farben helfen  dem Kind mit „Dyskalkulie“ oder Rechenschwäche beim Erlernen des Rechnens maßgeblich.

 

Interviewerin:

Man hört heute von Schulexperten immer wieder, Kinder brauchen zum Aufbau eines Zahlenverständnisses und des rechnerischen Verstehens unbedingt Mengenmaterial (Plättchen, Kugeln, Stäbe usw., Anm. d. Red.). Kinder müssen sich unbedingt die Mengen für eine Zahl vorstellen können. Ist dies sinnvoll?

 

Dr. Heil:

Der Zwang zur inneren Vorstellung ist unnötig. Doch sind Mengen für das Erlernen der Zahlen wichtig, damit ein Kind für eine Zahl die entsprechende Stücke angeben oder sie rechnerisch verändern kann. Die Schule darf auf diesem Lernschritt nicht stehen bleiben, was sie leider heutzutage allzu lange macht. Für das lernende Kind gibt es einen weiteren Verstehensweg. Daneben ist genauso wichtig der Zahlenstrahl. Sie kennen ihn als die Zahlenreihe auf dem Lineal.

 

Mit Mengenmaterial kann man zwar ein Zehnersystem zeigen. Doch es ist nicht identisch mit den schulischen Anforderungen zur Vermittlung eines Stellenwertsystems. Hier liegen Widersprüche vor, die ein Kind erheblich verwirren können. Denken Sie nur an die landauf, landab in den Schulen verwendete Hundertertafel. Sie ist für das Vermitteln des Stellenwertsystems falsch, ja geradezu verwirrend. In der Hundertertafel gibt es nicht die Zahl Null. Und warum steht am Ende der Reihe der Einerzahlen eine Zehnerzahl? Warum steht z. B. am Ende der dreißiger Zahlen die Zahl 40? Warum ist die Zahl 5 als Hälfte der ersten Zahlenreihe der „alten“ Hundertertafel so überbetont? Weil eine Hand 5 Finger hat? Eine magische Fixierung an der „Kraft der 5“schließt die Zahl 0 aus. Die Hälfte der Einerzahlen liegt nämlich zwischen 4 und 5. Das ist mathematisch wichtig für die Verwendung der Rundungsregel. In der 1. Klasse wird durch eine falsche Methode grundgelegt, warum so viele Schüler die Rundungsregel in höheren Klassen schwer oder gar nicht verstehen.

 

Die „alte“ Hundertertafel ist vor über 200 Jahren aufgrund des Einsatzes von Mengen entstanden und entspricht nicht mehr für eine heutige Mathematik im Computerzeitalter. Das verwirrt Schüler. Diese Unstimmigkeiten löst nur eine klare Orientierung am Stellenwertsystem auf, nach der unsere „Zahlen-Struktur-Tafel 0 bis 100“ aufgebaut ist.

 

Interviewerin:

Was bedeutet das Wort integrativ in ihrer Methode?

 

Dr. Heil:

Heutzutage wird dogmatisch und nahezu keinen Widerspruch duldend in den Anfangsklassen der Schule diktiert, mit welchem Lernmittel die Schüler ihr Verstehen und Verständnis der Zahlen und des rechnerischen Umgehens damit aufzubauen haben. Und gleichzeitig wird wiederum unumstößlich bekundet, dass jedes Kind seinen eigenen Lernweg hat. Darin liegt doch ein gewaltiger Widerspruch.

 

Weder das eine noch das andere ist richtig. Ein gesunder Mittelweg ist nötig. Den bietet die strukturell-integrative Methode an. Verstehensaufbau über Mengenmaterial und über den Zahlenstrahl wird dem Kind gleichzeitig dargeboten. Und das von Anfang an. Das Kind entscheidet selbst, mit welchem Lernmaterial es besser lernen kann.

 

Und dann bedeutet „integrativ“ noch etwas weiteres ganz Wichtiges. Beide Lernwege müssen für das Kind miteinander verknüpft werden, sodass kein isoliertes Wissen entsteht. Wie gehören Mengen und Zahlenstrahl zusammen? Versteht das Kind auf dem einen Lernweg etwas nicht, kann es das mit der gewonnenen Erkenntnis aus dem anderen Lernweg ausgleichen. Es entstehen dadurch keine Lücken in der Mathematik.

 

Interviewerin:

Warum wird in Ihrer Methode das Strukturelle zuerst genannt?

 

Dr. Heil:

Weil das Strukturelle des Stellenwertsystems beim Entwickeln einer Zahlvorstellung ebenso wie beim Erlernen des Rechnens die Basis und letztlich das Ziel für einen guten Rechner ist. Wir können und müssen bei Schülern das Verständnis für Zahlen und ein Rechenvermögen im dezimalen Stellenwertsystem entwickeln.

 

Interviewerin:

Und was war genau der Anstoß zur strukturell-integrativen Methode?

 

Dr. Heil:

Die Verknüpfung von vier Gesichtspunkten hat mich zur strukturell-integrativen Methode geführt:

  1. Erstens die Orientierung an unbedingten arithmetischen Notwendigkeiten. Es gibt in der Mathematik Regeln, die eingehalten werden müssen. In der Grundschule sind sie als Grundlagen für ein erfolgreiches Rechnen handelnd zu vermitteln.
  2. In meiner Ausbildung konnte ich von erfahrenen Lehrern das in der Schulpädagogik in langer Zeit gewachsene Wissen über eine Methodik erlernen, wie man Schülern erfolgreich das Rechen vermittelt und
  3. drittens die unerlässliche Ausrichtung an den Lernbedürfnissen der Lernenden.
  4. Verstehensfehler beim Erlernen sind unbedingt zu vermeiden. Lehrmethode und Lernmaterial dürfen beim Lernenden keine Verunsicherung zulassen. Nur ein mit gesichertem Wissen und einer mathematisch fachlich unbestrittenen Ausrüstung gut vorbereiteter schulischer Entdecker kann erfolgreich forschend und verstehend tiefer in die Mathematik eindringen. Wir treiben unter „schulpädagogischem Vorwand“ leider zu viele Kinder in die Verwirrung.

 

Interviewerin:

Manche sogenannte Experten behaupten, Kinder mit Dyskalkulie können nicht Rechnen erlernen.

 

Dr. Heil:

Eine solche Behauptung ist blanker Unsinn. Jedes normal begabte Kind kann mit der strukturell-integrativen Methode Rechnen erlernen. Es hängt von seiner intellektuellen Begabung ab, wie weit es dabei in rechnerische Tiefen vordringen kann. Kein Kind wird mit der strukturell-integrativen Methode vom Bildungsprozess ausgeschlossen. Wir haben auch eine Anpassung der Methode für geistig Behinderte. Diese wird von Sonderschullehrkräften sehr erfolgreich eingesetzt. Geistig Behinderte können damit ein größeres rechnerisches Vermögen erwerben, als man es bisher für möglich gehalten hat.